Impuls 26. Dezember
Im Dazwischen
Der heutige Stephanstag ist für mich ein seltsamer Zwischentag. Er liegt zwischen Weihnachten und Silvester, zwischen dem alten und neuen Jahr, zwischen weihnachtlichen Familientreffen und silvesterlichem Ins-neue-Jahr-Rutschen. Die Adventszeit ist vorbei, die durch ihre Rituale einen klaren Takt vorgibt.
Der Stephanstag und die Tage nach ihm wirken für mich angesichts bunter Christbaumlichter und knalligen Neujahrsfeuerwerken oft matt – schliesslich ist der Stephanstag nicht für Pomp, Überladenheit, Spektakel bekannt.
Doch genau diese Unbestimmtheit bietet mir Gelegenheit, Abstand zu gewinnen. Schliesslich sind die Geschenke verschenkt und ausgepackt, Raclettes und Fondues zur Genüge gegessen, die Familientreffen (mehr oder weniger harmonisch) überstanden, die Vorsätze für das nächste Jahr halbwegs gefasst. Zwischen all den Ritualen, Treffen und Jahren frage ich mich also:
Wo befinde ich mich jetzt, hier, heute?
Wie fühlt sich diese Zwischenzeit an? Befreiend, weil nun endlich Platz und Zeit für entspanntes Zurück- und Ausblicken vorhanden ist? Oder doch eher einengend, weil ich mich zwischen allem eingeklemmt fühle?
Was sind das für Jahre, die hinter und vor mir liegen? Sind das spannende, anstrengende, interessante, beängstigende Jahre? Was bedeutete die Adventszeit eigentlich für mich? Welche Bedeutung soll und darf sie im nächsten Jahr einnehmen?
Was sind das für Menschen, zwischen denen ich mich in diesen Tagen befinde? Was bedeuten mir diese Menschen? Zwischen welchen Menschen wäre ich gerne? Und wie sieht es zwischen Gott und mir aus? Gibt es Dinge zwischen uns? Stören diese Dinge, oder bin ich eigentlich ganz froh dass da etwas zwischen uns ist?
Welche Gedanken, Wünsche, Träume kommen mir in dieser Zwischenzeit? Gar keine? Dieselben wie immer? Oder vielleicht eine neue Idee, die mein Leben ver-rücken kann? Was kann ich tun, um diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen?
Ich möchte diese unbestimmte Zwischenzeit geniessen lernen. Schliesslich ist die Zwischenzeit weder gut noch schlecht, weder notwendig noch überflüssig. Sie ist halt… irgendwo dazwischen. Da die Zwischenzeit so unbestimmt ist, drängt sie mich zu nichts – nicht einmal zur Beantwortung all dieser Fragen.
Am liebsten möchte ich all diese Zwischenfragen ins Zwischenmenschliche tragen, die Fragen anderen stellen, ins Gespräch kommen, herausfinden, in welchem «Dazwischen» sich meine Mitmenschen befinden…
Vielleicht führen diese Fragen zur Klarheit darüber, wo ich mich jetzt, hier, heute befinde. Und vielleicht ergeben die Antworten auch nichts. Und auch das wäre in Ordnung. Denn in dieser Zwischenzeit möchte ich für einmal unbestimmt sein. Denn wenn nicht jetzt, hier, heute – wann dann?
~ Joel