Rorate-Feier
Der besondere Gottesdienst im Advent, frühmorgens, im Lichterlabyrinth der Predigerkirche. Im Anschluss sind alle zum gemeinsamen Frühstück im aki eingeladen. Wer zum Frühstück bleiben möchte, möge sich bitte bis spätestens Dienstagmittag (14 Uhr), den 3. Dez., anmelden.
Zugänge zum Labyrinth
Neben der materiellen, technisch durchstrukturierten Welt existiert ein mystischer Bereich. Er kann uns mit der göttlichen Kraft in uns selbst in Verbindung bringen. Der Gang durch das Labyrinth ist eine Möglichkeit, in diesen Bereich einzutauchen. Ins Innere des Labyrinths vordringend, kann ich meinen eigenen, innersten Kern leiblich und mit verschiedenen Sinnen erfahren und den göttlichen Funken, den wir alle seit unserer Zeugung in uns tragen, in mir selbst entdecken.
Der Weg, mein Weg liegt bereits vor. Die einzige Aufgabe, die ich habe, ist ihn zu gehen. Im Vertrauen darauf, dass ich am Ende trotz aller Wendungen und zunächst unverständlichen Weg-Führungen das Ziel meines Lebens erreiche. Die vielen Bögen und Wendungen lassen sich als Spiegel meiner eigenen Lebenswendungen verstehen. Das Labyrinth lässt sich als Weg deuten, auf dem ich mein Leben tiefer ausloten kann. Wer sich selbst, den Sinn des Lebens und Gott erfahren will, muss bereit sein, diesen Weg mit all seinen Kehren und seiner ihm nicht bekannten Länge zu beschreiten. Das Labyrinth fragt nicht: «Gehst du richtig?» Das Labyrinth fragt: «Gehst du?»
Das Labyrinth führt vom Äusseren ins Innere. Sicher gibt es unterwegs viele Windungen. Und manchmal beschleicht mich das Gefühl nicht voranzukommen. Doch der Weg führt zuverlässig und ohne Abzweigungen ins Zentrum.
Wenn ich ein Labyrinth betrete, vertiefe ich mich in das Mysterium meines Lebens und das Mysterium Gottes. Angelockt hat mich ein Ruf. Diesem Ruf folge ich ins Innere des Geheimnisses. Dabei helfen Verstandesschärfe und Vielwissen nicht weiter. Ich muss mich tiefer in das Geheimnis hineinleben. Dazu benötige ich Mut, Offenheit und liebevolle Aufmerksamkeit.
Wer es bis zur Mitte des Labyrinths schafft, gelangt an den dunkelsten Ort. Das Innerste des Labyrinths kann genau so dunkel sein wie der Tiefpunkt des eigenen Lebens. Es ist der Ort, wo der Mensch existenziell alleine ist. Es ist auch ein Ort der Entscheidung.
Wenn ich in der Mitte des Labyrinths angekommen bin und das Labyrinth wieder verlassen will, muss ich meine Richtung ändern. So gesehen ist das Labyrinth ein Bild für die Grundhoffnung des Christentums: Wer bereit ist und nicht aufgibt, darf in seinem verschlungenen Leben umkehren, neu beginnen und schließlich auferstehen.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Wort geprägt: «Das Volk Gottes unterwegs.» Nicht nur die Kirche als ganze, sondern auch jede einzelne Frau, jeder einzelne Mann sind unterwegs. Auf diesem Weg stellen sich Begegnungen mit dem Anderen, mit der Welt, mit mir selbst, mit Gott ein. Hier scheitert der Mensch oder bewährt sich. Hier repetiert er nicht einfach starre Formeln und Gebete, sondern stellt sich dem Leben, dem Anderen, sich selbst.
Indem ich ein Labyrinth durchschreite, erfahre ich das Fliessende, Lebendige, das mir täglich widerfährt, bewusster, existenzieller. Das Labyrinth wartet auf mich. Es lädt mich ein, den Weg zu gehen und ihn wach zurückzulegen.