SIEBEN MAL MITTENDRIN
Mittendrin im Getümmel oder in der eigenen Mitte? – Im aki bewegt sich etwas. Es geht ans Eingemachte, an die Struktur, an den Kern. Von aussen sieht es nach Abbruch aus, nach Rückbau. Aber das Transparent an der Fassade («Das aki wird saniert. Wir freuen uns auf die Wiedereröffnung im Herbst 2022.») verheißt Zukunft. Daran jetzt, im Advent, zu denken, passt. Denn «Advent» heisst ja: Da kommt noch was.
Im vergangenen Jahr strahlten und schimmerten eigentümliche Stelen im Zaubergarten des aki. Sie waren Vorboten der Veränderung. Ende 2021, im Jahr des grossen Umbruchs, sind die Objekte, die den Garten prägen, noch rätselhafter geworden. Sie bestehen aus Holz. Sieben von ihnen leuchten. Sie sind nur zusammengesteckt und gebunden, nicht verschraubt – ein bewusster, fast archaischer Gegenentwurf zum professionellen Umbau im Gebäude. Der Akzent liegt auf dem Vorläufigen.
Mit unserer Installation wird der aki-Garten zur Einladung, innezuhalten auf sieben „Inseln des Mittendrin“. Auf Weihnachten hin können wir den Blick schärfen und eine neue Perspektive erlangen auf das Alte, das vergehen muss, damit Neues sich entfalten kann.
Das Licht haben wir auf ein Minimum reduziert. Unsere Augen benötigen Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Die Pupillen müssen sich weiten können. Wir sollten uns nicht Zeit n e h m e n. Sondern wir dürfen sie uns schenken für den Blick aufs Wesentliche, für die Schönheit im Geheimnisvollen. Und die Ahnung für alle Möglichkeiten, die sich uns anbieten.
Advent 21
Nick & Clemens Prokop
Die Installation im Garten nimmt Bezug auf die Flora und die Farben, die bereits da sind. Sie greift auf, was wir im aki seit Umbau-Beginn praktizieren: uns anzupassen, unterwegs- und mittendrin zu sein in der Natur. Sieben leuchtende Objekte markieren sieben Inseln. Auf jeder von ihnen kann sich der Flaneur, die Besucherin, der Gast, die Passantin aufhalten, solange sie wollen. Jede Insel bildet eine kleine Station auf einem Weg, der Perspektiven-Wechsel anstrebt. Von je einem biblischen Gedanken ausgehend, bringen die Künstler Clemens und Nick Prokop dazu die folgenden Anregungen ein:
1. Mittendrin
In deinem Zelt möchte ich Gast sein auf ewig,
mich bergen im Schutz deiner Flügel. (Psalm 61,5)
Warum Äste mitten in den Zaubergarten tragen, der mit seinen hohen, alten Bäumen beinahe ein Wald ist? Und kahles Holz? Ausgerechnet auf Weihnachten hin?
Vielleicht, um den Wald vor lauter Bäumen wieder zu sehen. Denn mittendrin steht eine einfache Jurte, ein neuer Mittelpunkt auf Zeit.
Wanderer zwischen den Welten reisen besser mit leichtem Gepäck. Immer aufs Neue schlagen sie ihr Nomadenzelt auf: ein Zuhause, eine Mitte der Welt, festen Boden wenigstens für eine Nacht. Die Sterne am Himmel, Leuchtfeuer und Glühwürmchen weisen den Weg.
Wie oft schlage ich mein Zelt neu auf?
2. Fundstücke
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden. (Psalm 118,22)
Die Äste sind Totholz aus dem Sagenraintobel in Wald ZH. Es sind Trophäen von Spaziergängen mit den Kindern. Von jedem Fundstück können wir eine eigene Geschichte erzählen. Manche Äste haben wir aus dem Schmittenbach gefischt, andere aus dem Dickicht gezogen. Wieder andere lagen am Wegrand, vielleicht hatten andere Kinder sie schon als Pilgerstäbe verwendet.
Wir haben gestaunt, wie unterschiedlich sich die Äste anfühlen, wie sie unterschiedlich schwer wiegen, wie sie mit Flechten übersät, mit Moos bewachsen oder von Efeu umklettert sind.
Mir gefällt die Vorstellung, dass wir das Holz nur geliehen haben. Im aki-Garten bekommen die Fundstücke ein grosses Solo, bäumen sich auf wie Echsen, die den Kopf recken. Aber im neuen Jahr bringen wir sie wieder zurück.
Aus welchem Holz bin ich geschnitzt?
3. Totholz
Denkt nicht mehr an das, was früher war;
auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! (Jesaja 43,18)
Unsere Wälder befinden sich in erbärmlichem Zustand. Fahles Silbergrau dominiert, soweit das Auge blickt. Da stehen tote Stämme unwirklich, wie Skelette eines neben dem anderen. Was einmal vital war, ist ein trostloser Anblick geworden, dritte Wahl für die Sägerei.
Wie steht’s um unsere Gemeinschaften?
4. Habitat
Und was du säst, ist noch nicht der Leib, der entstehen wird;
es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. (Erster Brief des Apostels Paulus an die Korinther 15,37)
Die Totale zeigt Abbruch und Absterben. Doch wir wechseln die Perspektive: Die Nahaufnahme offenbart einen veränderten Lebensraum – der bevölkert werden kann. Von Käfern, Reptilien, von Pflanzen. Sie bereiten den Boden zu für Neues.
Gelingt mir der andere Blick auf das Unerwartete, Nebensächliche?
5. Pioniere
Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt,
bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. (Johannes-Evangelium 12,24)
Mittendrin im Totholz kann Neues entstehen: Pionierpflanzen erobern die zerstörten, unwirtlichen Lebensräume. Jetzt zahlen sich Fähigkeiten aus, die sonst nicht zum Zug kommen.
Wieviel Pionierin/Pionier steckt in mir?
6. Provisorium
Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen
und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. (Erster Brief des Apostels Paulus an die Korinther 1,25)
Mittendrin im animiert durchgeplanten Lebensablauf meldet sich die Erkenntnis: Es kommt doch immer wieder ganz anders. Der Gott der Bibel ist ein Gott all jener, die unterwegs sind, nach Bethlehem, nach Emmaus, 40 Jahre lang und ein ganzes Leben.
Kann ich zulassen, dass sich Pläne ändern?
7. Die Nacht
Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir,
die Nacht leuchtet wie der Tag, wie das Licht wird die Finsternis. (Psalm 139,12)
Der unerhörte Gedanke in Psalm 139 – nichts Besonderes für uns. Wir machen die Nacht zum Tag. Im Advent packt uns der Furor, die Dunkelheit auszutreiben. Wir haben weder Zeit noch Lust, auf etwas zu warten. Wir haben der Nacht ihre Kraft gestohlen.
Mittendrin im Dunkel: Die Unsicherheit aushalten.
Nur der Schein einer Kerze. Vorsichtiges Tasten. Ahnen.
Warten auf die Morgenröte.
Ein neues Sehen.
Die Künstler
Nick & Clemens Prokop entwickeln und gestalten mediale Konzertinszenierungen.
Ihr besonderes Interesse gehört dem künstlerischen Einsatz von digitaler Technologie, wie etwa Projection Mapping, Interaktion und immersiven Lösungen. Ihre interaktive Musiktheaterbühne Virtostage ist Teil der ständigen Ausstellung im Haus der Musik (Wien/Mexiko).
Geboren im bayerischen Rosenheim in eine Künstlerfamilie, begannen Nick & Clemens schon als Jugendliche, gemeinsam zu improvisieren. „Silent Images“, eine über ein ganzes Dorf verteilte Klanginstallation, markierte den Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit. Eine besondere Verbindung haben sie mit Kent Nagano, für den sie einen interaktiven „Sacre du Printemps“ in einem AUDI-Presswerk sowie den Saisonauftakt der Hamburgischen Staatsoper im Hamburger Planetarium realisierten.
Aktuelle Projekte entstehen mit dem Rundfunkchor Berlin („Time Travellers“) sowie anlässlich des Beethoven-Festjahres in der Tonhalle Düsseldorf. Als Keynote Speakers eröffneten Nick & Clemens Prokop die TEDx Konferenz „The Future of Creativity“ an SUNY Potsdam, NY („How Technology Threatens the Arts – and Five Ways to Escape Creative Dead-Ends“).
Die eigene Arbeit zu reflektieren und gerade mit jungen Künstlern den Diskurs zu suchen, ist ein besonderes Anliegen. Education-Projekte, Masterclasses und Workshops sind deshalb wichtiger Teil des Engagements (u.a. Verbier Festival, Royal Academy of Music London, Gasteig München).
Als Musikproduzenten arbeiteten Nick & Clemens Prokop mit Künstlern in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Italien, Japan, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada sowie im Dschungel von Paraguay. Mehr …