VENI
Wächter der Blauen Stunde
Wie stumme Echsenwesen bevölkern 15 archaische Totholz-Skulpturen den aki-Gartenwald. Sie sind Wächter der Blauen Stunde: Sobald die Dämmerung einbricht, verwandeln sie sich und werden zu stumm leuchtenden Orientierungsgebern in der Dunkelheit.
Ein Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden. (Psalm 118,22)
Lichtinstallation von Nick & Clemens Prokop aus Totholz aus dem Zürcher Oberland, Holzpfählen, Naturkordeln und Windlichtern.
Die Lichtinstallation ist bei schönem Wetter bis Freitag, 17. Februar 2023 (Mo – Fr) von 10.00 – 18.00 Uhr frei zugänglich. Das aki lädt herzlich ein, sie zu bestaunen und auf sich wirken zu lassen.
Die Installation
1. Stumme Wesen
Mit der Wiedereröffnung des aki bevölkern wieder Nick & Clemens Prokops wundersame Gestalten den Gartenpark. Sie haben sich vermehrt und besetzen fünfzehn der im Garten angelegten Kies-Inselchen, auf denen normalerweise Tische zum Arbeiten und Pausemachen einladen. Jetzt ragen auf Holzstativen Totholzäste in die Luft: Wie spindeldürre stumme Echsenwesen strecken sie ihren Kopf. Wachsam. Und warten.
2. Schönheit des Verworfenen
Worauf? Ihre Anwesenheit hat etwas Absurdes: Totholz im mächtigen Baumbestand des Gartens auszustellen, ist das nichts anderes als Eulen nach Athen zu tragen? Jeder einzelne der verwendeten Äste stammt aus dem Sagenraintobel im Zürcher Oberland. „Sie haben uns gefunden auf vielen Spaziergängen, vor allem mit den Kindern“, sagt Clemens Prokop. „Gemeinsam hielten wir Ausschau nach grossen Ästen, die im Dickicht oder am Bach lagen. Welcher könnte sich eignen? Welchen können wir mit vereinten Kräften nach Hause tragen? Unser Blick schärfte sich für die vielen Eigenheiten. Wir entdeckten ihre Schönheit.“ Jeder Ast ist ein Unikat, in der Form sowieso, aber auch in seiner Textur. Naturschützer und Biologen wissen, wie wertvoll totes Holz ist: Es ist Schutz- und Lebensraum für neue Arten. Damit wird das Totholz zum Symbol für den Advent – für das, was kommen soll. Eine Einladung, Neues zu beginnen.
Ein Stein, den die Bauleute verwarfen,
ist zum Eckstein geworden. (Psalm 118,22)
3. Wächter der Stunde
Sie sind die Wächter der Blauen Stunde. In unserer Wahrnehmung sind es tatsächlich keine Skulpturen, sondern Lebewesen. Wenn die Dämmerung hereinbricht, verschmelzen die archaischen Gebilde mit ihrer Umgebung. Sie werden unsichtbar. Und werden gleichzeitig zunehmend sichtbar im Kerzenlicht, das gebrochen durch die aufgehängten Laternen scheint und vom Totholz reflektiert wird. Wenn die Dämmerung umschlägt in Dunkelheit, verlieren sich die kleinen Lichter wieder. Und dennoch geben sie – auch hier ein Symbol – Orientierung. Im Leben brauchen wir nicht immer grosse Leuchtfeuer, um navigieren und uns ausrichten zu können.
4. Die Nacht der Veränderung
Nick & Clemens Prokop sind mit dem aki schon eine Reihe von Jahren künstlerisch verbunden. Entstanden sind viele, meist medienkünstlerische Arbeiten, über lange Zeiträume sich verändernde interaktive, klingende Lichtskulpturen im Haus, von der Polybahn gesteuerte Fensterprojektionen, Grossformatdrucke, aber auch unwirklich eisblau leuchtende Monolithe im Garten. Im Verlauf dieser immer wieder neuen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Topographie des Hauses, seinem Garten, seiner Menschen und Geschichte nutzte sich die Faszination nicht ab – im Gegenteil: Sie wurde immer stärker. Tage- und nächtelange Installationsphasen führen zu einer ganz eigenen, ganz persönlichen Beziehung zum Raum, der viel mehr ist als das reine Gebäude. Für die Wiedereröffnung des aki war es ihr Anliegen, den Gegenentwurf einer Licht-Installation zu schaffen. Entstanden ist die leise, radikal unspektakuläre Einladung in den Garten, um sich von der Nacht einhüllen zu lassen, die alles verändert. Und einen auch kulturhistorisch weiten Bogen spannt: „Dies ist die Nacht“, heisst es im Exsultet der Osterliturgie, dem Lobpreis der einen Osterkerze, von der aus sich alles andere entzündet und erhellt.
5. Das Recht der Kinder
Pläne sind dafür da, verändert zu werden. Die künstlerische Absicht war eine archaische Reduktion. Verschiedene Hölzer in Form eines Dreibeins, nicht verschraubt, sondern zusammengebunden mit grober Naturkordel. Einzig Steine, auch sie Fundstücke, sollten im Machtbereich der Wesen schweben: die Schwerkraft überwinden. Bis die Kindern sich vehement einmischten und ihr Mitspracherecht einfordernten. Sie bestanden auf Verzierung. Und das ist der Grund, warum die Wächter der Blauen Stunde im aki-Garten auch stolz ein wenig weihnachtlichen Schmuck tragen.
6. Kettenreaktionen
Paul Watzlawick (1921-2007), der Philosoph des Paradoxen, wies leidenschaftlich darauf hin, dass unsere menschliche Suche nach dem grossen Glück ein Irrweg der Selbstverwirklichung sei – aus sich selbst heraus zum Scheitern verurteilt. Vielmehr gehe es um eine „Kettenreaktion des Glücks“, wie er sie nannte: um konkret gelebtes Menschsein im Kleinen, andere anzustecken mit Gesten der Menschenfreundlichkeit.
Die Künstler
Nick & Clemens Prokop entwickeln und gestalten mediale Konzertinszenierungen.
Ihr besonderes Interesse gehört dem künstlerischen Einsatz von digitaler Technologie, wie etwa Projection Mapping, Interaktion und immersiven Lösungen. Ihre interaktive Musiktheaterbühne Virtostage ist Teil der ständigen Ausstellung im Haus der Musik (Wien/Mexiko).
Geboren im bayerischen Rosenheim in eine Künstlerfamilie, begannen Nick & Clemens schon als Jugendliche, gemeinsam zu improvisieren. „Silent Images“, eine über ein ganzes Dorf verteilte Klanginstallation, markierte den Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit. Eine besondere Verbindung haben sie mit Kent Nagano, für den sie einen interaktiven „Sacre du Printemps“ in einem AUDI-Presswerk sowie den Saisonauftakt der Hamburgischen Staatsoper im Hamburger Planetarium realisierten.
Aktuelle Projekte entstehen mit dem Rundfunkchor Berlin („Time Travellers“) sowie anlässlich des Beethoven-Festjahres in der Tonhalle Düsseldorf. Als Keynote Speakers eröffneten Nick & Clemens Prokop die TEDx Konferenz „The Future of Creativity“ an SUNY Potsdam, NY („How Technology Threatens the Arts – and Five Ways to Escape Creative Dead-Ends“).
Die eigene Arbeit zu reflektieren und gerade mit jungen Künstlern den Diskurs zu suchen, ist ein besonderes Anliegen. Education-Projekte, Masterclasses und Workshops sind deshalb wichtiger Teil des Engagements (u.a. Verbier Festival, Royal Academy of Music London, Gasteig München).
Als Musikproduzenten arbeiteten Nick & Clemens Prokop mit Künstlern in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Italien, Japan, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada sowie im Dschungel von Paraguay. Mehr …